• Slitherine: Pike & Shot SPIELETEST

    "Miniature Wargaming" oder auch "Tabletop Games" fristen in Deutschland eher ein Nischendasein. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es dafür überhaupt eine deutsche Bezeichnung gibt. Zumindest fällt mir gerade keine ein. In den USA hingegen gehört diese Art - von sagen wir einmal konfliktbezogenen Gesellschaftsspielen - durchaus zur etablierten Abendunterhaltung.

    Als Tabletop (engl. „Tischplatte“) bezeichnet man ein Strategiespielsystem, bei dem mit Miniaturfiguren (früher aus einer Zinnlegierung gegossen oder aus Papier ausgeschnitten, heute meist Zinn- oder auch Kunststofffiguren) auf einer beliebigen Oberfläche (besonders Tischen) gespielt wird. Die Spielfläche wird oft mit sogenannten „Geländestücken“ (Hügel, Wälder, Ruinen aus Spielwarenläden oder selbstgebaut) gestaltet. Da es kein herkömmliches Spielbrett gibt, werden Entfernungen (Bewegungs- oder Schussreichweiten) in den meisten Regelsystemen mit einem Maßband ausgemessen. Einige Systeme verwenden Hexfelder, um Entfernungen darzustellen (Battletech, Demonworld u. a.). Die Figuren werden meistens aus vorgefertigten Bausätzen sorgfältig zusammengebaut und aufwendig bemalt oder in Form von Sammelfiguren erworben (Quelle: Wikipedia).

    In unseren Gefilden werden erwachsene Menschen, die diesem Hobby frönen, teilweise sogar mit Argwohn betrachtet. Mit Spielfiguren zu hantieren gehört bestenfalls in die Grundschule, so die Meinung einiger Skeptiker. Wenige Ausnahmen, wie die Warhammer Serie, haben aber auch in Deutschland eine feste Anhängerschaft hinter sich.

    Eine zeitgemäße Alternative zu den Tabletop Spielen stellen deren Umsetzungen für PC dar. Die Auswahl von guten Umsetzungen ist allerdings überschaubar. Die Anbieter solcher Spiele tun sich sicher auch finanziell schwer, in dieser extremen Nische profitabel zu arbeiten. Während Liebhaber der Brettspielvorlagen gewohnt sind, mehrere hunderte bis tausende Euro pro Jahr in ihr Hobby zu stecken, sind PC Gamer diesbezüglich etwas nüchterner.

    Dazu kommt die grundsätzliche Problematik eine passable KI zu programmieren. Während man bei den Tabletop Vorlagen ja gegen einen Menschen spielt, wird bei den PC Umsetzungen die Implementierung eines Computergegners erwartet. Wobei es sogar einige Spiele gibt, die ganz und gar auf Multiplayer ausgelegt sind und auf eine KI verzichteten. Der englische Strategiespiele Publisher Slitherine und sein US-amerikanisches Tochterunternehmen Matrix Games gehören in diesem Sub-Genre mit Sicherheit zu den Marktführern. Zumindest haben sie ihre Field of Glory Serie fest auf dem kleinen Markt etabliert.

    Nun hat Slitherine mit „Pike & Shot“ den Startschuss einer neuen Produktserie abgefeuert, basierend auf das neue Regelwerk von „Field of Glory: Renaissance“ des britischen Autoren Richard Bodley Scott. Als Basis dient die Engine von Slitherine`s „Battle Academy“ Strategiespiel-Serie. Selber nenne ich drei Spiele der Battle Academy Serie mein Eigen, die als schicke Boxversionen mein Regal im Büro zieren. Gespielt habe ich die Serie allerdings kaum, da sie abgesehen von der tollen Cover-Gestaltung nicht so ganz mein Geschmack trafen. Für Pike & Shot leistet die Engine aber sehr gute Dienste.

    Zu Beginn wusste ich auch nicht so ganz, was ich von Pike & Shot zu erwarten habe. Diese Tabletop- oder Brettspielumsetzungen sind meistens nicht so wirklich meins. Abgesehen von der oft einfachen grafischen Darstellung, mit welcher ich in der Regel aber durchaus leben kann, tue ich mich aber doch oft schwer, mich mit den Regeln anzufreunden. Diese sind nicht selten sehr zahlreich und scheinen oft recht verwirrend, insbesondere wenn man die Original-Brettspiel-Vorlagen nie gespielt hatte.

    Conflict of Heroes, ebenso durch Matrix Games vertrieben und rund vor zweieinhalb Jahren von uns getestet (hier unser Test von damals), war die letzte Brettspielumsetzung, die mir gefiel und mit der ich mich etwas länger auseinander setzte. Pike & Shot hingegen weckte sofort, insbesondere durch sein neues und unverbrauchtes Setting - nämlich den Dreißigjährigen Krieg - mein Interesse. Dieses Szenario wurde ja noch kaum bedient. Endlich mal etwas anderes.



    Neben dem Dreißigjährigen Krieg behandelt Pike & Shot auch zwei weitere historische Konflikte. Zum einen den englischen Bürgerkrieg 1643 und die sogenannten italienischen Kriege zwischen 1494 bis 1559. Mich selbst interessieren diese jedoch nicht.

    (Quelle Wikipedia) Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 war ein Konflikt um die Hegemonie im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und in Europa und zugleich ein Religionskrieg. In ihm entluden sich auf europäischer Ebene der habsburgisch-französische Gegensatz und auf Reichsebene derjenige zwischen Kaiser und Katholischer Liga einerseits und Protestantischer Union andererseits. Gemeinsam mit ihren jeweiligen Verbündeten im Reich trugen die habsburgischen Mächte Österreich und Spanien ihre dynastischen Interessenkonflikte mit Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und Schweden aus. Infolgedessen verbanden sich eine Reihe weiterer Konflikte mit dem Dreißigjährigen Krieg: der Achtzigjährige Krieg (1568–1648) zwischen den Niederlanden und Spanien, der Französisch-Spanische Krieg (1635–1659) und der Torstenssonkrieg (1643–1645) zwischen Schweden und Dänemark.

    Als Auslöser des Krieges gilt der Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618, mit dem der Aufstand der protestantischen böhmischen Stände offen ausbrach. Dieser richtete sich gegen die Rekatholisierungsversuche des böhmischen Königs aus dem Haus Habsburg, der zugleich römisch-deutscher Kaiser war. Insgesamt folgten in den 30 Jahren von 1618 bis 1648 vier Konflikte aufeinander, die von der Geschichtswissenschaft nach den jeweiligen Gegnern des Kaisers und der Habsburger Mächte als Böhmisch-Pfälzischer, Dänisch-Niedersächsischer, Schwedischer und Schwedisch-Französischer Krieg bezeichnet wurden. Zwei Versuche, den Konflikt zu beenden, der Friede von Lübeck 1629 und der Friede von Prag 1635, scheiterten daran, dass sie nicht die Interessen aller direkt oder indirekt Beteiligten berücksichtigten. Das gelang erst mit dem gesamteuropäischen Friedenskongress von Münster und Osnabrück (1641–1648). Der Westfälische Friede legte die Machtbalance zwischen Kaiser und Reichsständen neu fest und wurde Teil der bis 1806 geltenden Verfassungsordnung des Reiches. Darüber hinaus sah er Gebietsabtretungen an Frankreich und Schweden vor sowie das Ausscheiden der Vereinigten Niederlande und der Schweizer Eidgenossenschaft aus dem Reichsverband.

    Am 24. Oktober 1648 endete der Krieg in Deutschland. Seine Feldzüge und Schlachten hatten überwiegend auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches stattgefunden. Die Kriegshandlungen selbst, aber auch die durch sie verursachten Hungersnöte und Seuchen verheerten und entvölkerten ganze Landstriche. In Teilen Süddeutschlands etwa überlebte nur ein Drittel der Bevölkerung. Nach den wirtschaftlichen und sozialen Verheerungen benötigten einige vom Krieg betroffene Territorien mehr als ein Jahrhundert, um sich von deren Folgen zu erholen (Quelle: Wikipedia Ende).



    Zur Einführung in das Spiel stehen drei Tutorials zur Verfügung. Diese sind zwar ohne Sprachausgabe, aber dennoch recht verständlich gestaltet. Besonders auffallend war die recht ordentliche deutsche Lokalisierung des Spiels. Die Downloadversion wurde mit einem 102 Seiten starken .pdf Handbuch versehen, wohin gehend die Collector`s Edition ein in Farbe gedrucktes Handbuch beinhaltet. Das Studium desselbigen empfand ich jedoch bislang nicht als unbedingt notwendig. Die Tutorials erklären die Grundprinzipien des Spiels ausreichend. Zudem stehen jede Menge Tooltipps zur Verfügung, bei denen man zwischen einfachen und detaillierten Hinweisen auswählen darf. Im Grunde kann man sofort mit dem spielen loslegen. Bei Bedarf genügte es mir, bei besonderen Fragen das Handbuch zielgerichtet zu Rate zu ziehen.

    Meine Befürchtung, an einem ellenlangen Regelwerk zu verzweifeln, bestätigte sich bei Pike & Shot glücklicherweise nicht. Jeder durchschnittliche Strategiespielefan sollte hier zurechtkommen. Hat man sich erst einmal verinnerlicht, wie sich Einheiten am besten ziehen lassen flutscht das ganze recht gut. Einige Besonderheiten gibt es aber durchaus, die Anfangs Fragen aufwerfen. Beispielsweise, warum manche Einheiten kein Meleeangriff durchführen können, sprich sich mit gezogenem Säbel partout nicht ins Handgemenge stürzen wollen. Hier soll wohl versucht worden sein, dass sich diverse Einheiten möglichst getreu der Geschichtsschreibung verhalten. Na gut. Wenn dem eben so ist.



    Die grafische Darstellung ist gewöhnungsbedürftig. Ein Schönheitswettbewerb wäre damit nicht zu gewinnen. Ganz ehrlich Slitherine, da ist doch noch mehr drin, oder? Ich finde es zwar nicht schlecht, das vom Spiel versucht wurde, die Einheiten wie auf zeitgenössischen Gemälden aussehen zu lassen, aber ein paar Polygone mehr würden nicht schaden. Auch etwas mehr Rauch auf dem Schlachtfeld würde der Atmosphäre gut tun, sowie vielleicht kampfspuren im Gelände (Gefallene Soldaten, Krater etc.). Pikeniere, die im Melee sind oder gerade stürmen könnten beispielsweise auch ihre Piken in Angriffsstellung senken. Möglichkeiten gäbe es genug. Auch lässt sich nicht immer ganz leicht die Infanterie von der Kavallerie optisch trennen. Da gibt es noch erheblich Luft nach oben. Ganz erheblich sogar!

    Der Sound geht gerade noch so in Ordnung. Auch hier sollten bessere Soundfiles nachgeliefert werden. Die Titel- und Hintergrundmusik ist erste Sahne, allerdings wäre etwas mehr Abwechslung gefragt.

    Die Singleplayer-Kampagne würde ich auch eher als Vorbereitung zu den Multiplayerspielen betrachten. Der Dreißigjährige Krieg wird beispielsweise lediglich durch zehn nicht verknüpfte Szenarien abgehandelt. Man hat also keine Kernarmee. Kein Truppenmanagement, abgesehen von minimalen Zukäufen je nach Schwierigkeitsgrad. Man darf nicht einmal die Seiten wählen. Und ich hatte mich schon so gefreut in die Fußstapfen von Wallenstein zu treten. Dieses Thema hätte so viel Potential. Schade drum. Die gegnerische Schlachten KI ist allerdings nicht zu unterschätzen. Besonders gelungen empfinde ich hingegen den Schlachten Generator (sowohl für Single- als auch für Multiplayer). Hiermit lassen sich kinderleicht ganz tolle Szenarien erstellen. Daumen hoch!



    Pike & Shot glänzt allerdings im Multiplayer (dieser kann extrem einfach und bequem durch Slitherine`s PBEM++ Server gestartet und abgewickelt werden). Da das Gameplay von Pike & Shot, bedingt durch die diverse Phasen sowie Aktions- und Reaktionsfeuer, recht flüssig und nicht so starr wie in den meisten Strategiespielen ist, entwickeln die Schlachten, sobald einmal richtig entfesselt, ihre ganz eigene Faszination und Dynamik. Im Multiplayer wird dieser Effekt natürlich multipliziert, da man ja die Gewissheit hat, gegen einen menschlichen Gegner anzutreten. Da geben Einheiten Salvenfeuer auf annähernde Formationen. Schlagabtäusche an der ganzen Front. Einheiten setzen sich ab oder geben Fersengeld, während Kavallerieverbände den zurückweichenden Feind nachsetzen.

    Wer nun im wahrsten Sinne des Wortes etwas Blut geleckt hat, sollte schnell zugreifen. Bis zum 24.Oktober wurde das Spiel mit einem Einführungsrabatt in Höhe von 25 Prozent versehen. Beispielsweise kostet das Spiel auf Steam derzeit somit nur 27 statt 37 Euro. Wer die Vollversion mit schickem Handbuch bevorzugt, kann diese gegen 10 Euro Aufpreis direkt bei Slitherine oder Matrix Games beziehen.

    PRO
    • Trotz Rundenstrategie intensive und flüssige Schlachten mit viel Eigendynamik.
    • Unverbrauchtes Szenario.
    • Einfache und gute Implementierung von Multiplayer.
    • Ordentliche und fordernde KI.
    • Toller Schlachten-Generator.
    • Dragoner, Husaren und Kürassiere.

    CONTRA
    • Leblose Grafik und optisch schwer zu unterscheidende Einheiten.
    • Lineare und langweilige Kampagnen.
    • Gewöhnungsbedürftiges Interface.
    • Vergleichsweise hoher Preis, der sicherlich wenig einladend wirkt auf Genre-Neulinge.



    Fazit: Pike & Shot ist eine echte Alternative zum vorherrschenden Strategiespiele-Einerlei. Unverbrauchte Settings (u.a. Dreißigjähriger Krieg) kombiniert mit dynamischer Schlachten-Dramatik. Ein Hochgenuss im Multiplayer.


    Testsystem: iCore7 3500 - 16GB Ram - GTX680 ->Folgt uns auf Twitter<- ->Besucht uns auf Facebook<-

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