• Slitherine: Pandora - First Contact REVIEW

    Drei Monate sind seit unserem letzten Spieletest vergangen, wobei hier die Schuld unter anderem bei Deutschlands größtem Telefon- und Internetanbieter zu suchen ist. Details meiner Saga „auf der Suche nach dem Internet“ erspare ich euch aber lieber. Fakt ist nur, dass zwischenzeitig einige Spiele aufgelaufen sind, die es zu testen galt. Mit „Pandora: First Contact“ machen wir den Anfang. Besagter Titel ist ein rundenbasiertes Sci-Fi-4X Strategiespiel, dass zweifelsohne von „Sid Meiers Alpha Centauri“ inspiriert wurde. Um eines also vorweg festzustellen: Wer Spiele wie Civilization oder Warlock mag, und eine Vorliebe für Science Fiction hat, wird an diesem Spiel nicht vorbei kommen.

    Für den Titel verantwortlich zeichnen sich die Herren von „Proxy Studios“. Bei den Entwicklern scheint es sich um ein deutsches Studio zu handeln. Zumindest teilte mir dies der Publisher Slitherine mit. Glaubhaft ist dies auf jeden Fall, da das Spiel neben Englisch auch komplett auf Deutsch zur Verfügung steht. Und das auf sehr hohem Niveau. Nicht nur die Texte und die Menüführung sind in Goethes Sprache geschrieben, auch die Sprachausgaben kommen höchst professionell gesprochen auf Deutsch daher. Nach dem Start einer neuen Kampagne wird die Hintergrundgeschichte erzählt und ein gut gemachter Vorspann abgespielt. Der Einstieg ist auf jeden Fall sehr atmosphärisch umgesetzt. Ein reines Tutorial fehlt, jedoch gibt es beim ersten Spiel bei jeder neuen Aktion hilfreiche Pop-Ups die den Einstieg etwas erleichtern. Zum Glück, da im Handbuch auch nichts hilfreiches steht. Darin findet man jedoch die gut erzählte Hintergrundgeschichte zum Spiel, für Sci-Fi begeisterte schon lesenswert.

    Parallelen zu James Cameron’s "Avatar – Aufbruch nach Pandora" scheinen gewollt. Die Menschheit entdeckt in der Zukunft einen neuen, erdähnlichen Planeten. Unterschiedliche Fraktionen und Grosskonzerne machen sich auf, die Vorherrschaft auf eben dieser neuen Welt „Pandora“ für sich zu beanspruchen. Zu Beginn einer Partie darf man aus sechs Fraktionen wählen. Grundlegende Spieleinstellungen, wie die Grösse und Gestaltung der Welt, die Anzahl der Mitstreiter, die Siegesbedingungen oder diverse KI Boni dürfen dem individuellen Geschmack angepasst werden. Alle Grundeinstellungen sind so ziemlich selbsterklärend, so dass einem direkten Spielstart nichts im Wege steht. Wie bereits erwähnt, findet man im Handbuch kaum hilfreiches in Sachen Spielmechaniken. Für mich persönlich stellte dies kein Hindernis dar. Ehrlich gesagt hatte ich bis just in diesem Moment nicht einmal einen Blick in das Handbuch geworfen. Erst beim schreiben dieses Reviews dachte ich, es sei eine gute Idee mal nachzusehen, was dort so steht.



    Zu Beginn, also nach der Landung des eigenen Vorauskommandos auf Pandora, stehen ein Kolonisierungsfahrzeug und ein oder zwei Unterstützungstruppen, wie zum Beispiel eine Abteilung Kolonialtruppen, zur Verfügung. Der erste Schritt stellt die Errichtung einer ersten Siedlung dar. Die Gründungsstadt sozusagen. Mit seinen ersten Landungstruppen geht man zugleich an die Erkundung der in Hexagons aufgeteilten neuen Welt. Grafisch ist das Spiel recht ansprechend gestaltet. Persönlich hätte ich mir etwas mehr Fremdartigkeit gewünscht. Die Planetenoberfläche sieht zu erdähnlich aus. Bizarr aussehende Geländeeigenschaften gibt es zwar, sind aber zu vereinzelt. Die Landschaft wird dominiert von gewöhnlichen Ebenen, Gebirgszügen und Wäldern. Diese wirken relativ austauschbar. Auch ist die Spielwelt, unabhängig davon welche Grundkonfiguration man gewählt hat, immer zu einem erheblichen Teil von Ozeanen bedeckt, welche nicht „ausgebeutet“ werden können. Soll heissen, es lassen sich keine Anlagen oder Siedlungen am Meeresgrund errichten. Hier hätte man im wahrsten Sinne des Wortes noch mehr Science-Fiction einbringen können.

    Im Laufe der ersten Runden werden die eigenen Expeditionstruppen Teile der Umgebung und alte Installationen einer früheren Zivilisation aufdecken, während in der Startsiedlung schon die eine oder andere neue Truppe ausgehoben wird oder ein weiterer Kolonisator hergestellt wird. Man will seine Ansiedlung ja vergrössern und dazu benötigt man neue Städte. Pandora ist jedoch nicht unbewohnt. Der Planet strotzt geradezu vor Leben. Jede Menge eigentümlicher Wesen durchstreifen sowohl die Wildnis als auch die Meere. Teilweise gigantische Ungetüme, denen es am Anfang am besten aus dem Wege zu gehen gilt. Hier wird man auch sehr schnell einen wesentlichen Unterschied zur Civilization Reihe ausmachen können. Denn das grösste Hindernis bei der Besiedelung von Pandora stellen nicht die anderen Fraktionen dar, sondern die Flora und Fauna. Es wird der Tag kommen, und meistens früher als einem Lieb ist, an dem sich der gesamte Planet samt seiner Tierwelt gegen die „Invasoren“ erhebt. Flammenwerfer erleben sogleich ihre Hochkonjunktur.



    Aller Widrigkeiten zum Trotz darf man aber niemals die Erweiterung seiner Ansiedlung aus dem Auge verlieren. Zur Not müssen neuen Siedlungsfahrzeugen eben Kampfgruppen beiseite gestellt werden, die alles niederbrennen was sich ihnen auf ihrem Weg entgegen stellt. Wir sind ja nicht zum Vergnügen auf Pandora. Es geht um Ressourcen. Davon stehen zwei zur Verfügung: Mineralien und Nahrung. Diese sind klassisch verteilt. In Ebenen oder Küstengebieten lässt sich gut Nahrung anbauen, während in Gebirgen Mineralien vorhanden sind. Es gibt einige besondere Gebiete, die sich aber nur insofern von der üblichen Landschaft unterscheiden, da sie lediglich von einem Rohstoff eine etwas höhere Abbaurate aufweisen. Etwas mehr Erfindungsreichtum hätte hier nicht geschadet. Eine Art „Supererz“, das beispielsweise zum Bau besonderer Einheiten von Nöten wäre. Dies sehe ich als vertane Chance, würde es doch etwas zur Abwechslung beitragen und vor allem einen stärkeren Wettlauf um solche Gebiete nach sich ziehen.

    Neben den beiden Ressourcen hat sich der Spieler noch um die Finanzierung der Expedition, die Produktionskapazität, die Moral der Kolonisten, den Wohnraum und die Forschungsrate zu kümmern. Die Bevölkerung einer Stadt wird nach ihrer Tätigkeit aufgeteilt. Bauern und Minenarbeiter können Hexfelder im Einflussbereich der Stadt bewirtschaften. Je grösser die Bevölkerung einer Stadt, desto grösser ist dieser Bereich. Die Bevölkerung lässt sich auch in Produktionsstädten und in der Forschung einsetzen. Zwar ist dieser Aspekt des Spiels nicht wirklich gut erklärt, aber mit etwas Hirnschmalz lässt sich die optimale Arbeitsaufteilung recht schnell erlernen. Was mir gut gefiel ist die ständige Knappheit an Ressourcen. Der Spieler wird laufend gefordert sein seine Bevölkerung immer wieder „feinzutunen“, um einen optimalen Mittelweg zu finden. Einerseits sollten die Ressourcen natürlich nie ausgehen, andererseits sollte stets genug Manpower in der Forschung und in der Produktion eingesetzt sein um gegenüber der Konkurrenz nicht ins Hintertreffen zu geraten.



    Kommen wir zur obligatorischen Forschung. Der Forschungsbaum variiert in jedem Spiel, zumindest innerhalb der verschiedenen Technologiestufen. Somit kann man sich keine vorgefertigten Strategien „was erforsche ich immer als erstes“ zurechtlegen. Auch ist die Forschung irgendwie greifbar. Infanterie bleibt Infanterie. Es werden nur bessere Waffen und Kampfanzüge erforscht. Auf der Karte sehen die Einheiten stimmig aus. In Sachen Militär gipfelt das Wettrüsten zum Ende allerdings in Richtung Supergau. Atomwaffen bzw. Raketensilos sind meiner Meinung nach viel zu billig und zu inflationär verfügbar. Kriege werden bei fortlaufender Spieldauer kurzerhand mit dem Masseneinsatz von Nuklearsprengköpfen ausgefochten. Das finde ich unpassend und etwas übertrieben. Hier könnte man doch die weiter oben angesprochene Luxusressource (wie Uran) ins Spiel bringen. Wie dem auch sei. Hier sollte nachgebessert werden.

    Wie man von einem anständigen Strategiespiel erwarten kann, darf man sich auch diplomatisch betätigen. Einige nette Möglichkeiten haben sich die Entwickler hier einfallen lassen. Aber ehrlich gesagt braucht man der Diplomatie keine allzu grosse Aufmerksamkeit zukommen lassen. Hinsichtlich der Beziehungen zwischen den Fraktionen blieb es bei mir immer recht vorhersehbar. Anfangs ist man sowieso mit dem eigenen Überleben gegen die Flora und Fauna beschäftigt. Fällt man bei der Militärstärke nicht zu sehr ab, geht es ruhig zu. Pandora ist, sofern man eine entsprechende Spielwelt gewählt hat, gross genug für alle. Lediglich die Fraktion „Lichtorden“, eine Art religiöse Spinner, treten meist ziemlich aggressiv auf. Nachgebessert sollte aber auch hier werden. Fraktionen, mit denen ich gute Kontakte unterhielt, gingen plötzlich unter oder wurden besiegt, ohne dass ich um Beistand gebeten wurde. Fraktionsübergreifende Konflikte oder Bündniskriege konnte ich bei mehreren Kampagnen nicht wirklich ausmachen.



    Am liebsten habe ich mich mit dem Einheitenbaukasten, der sogenannten Werkstatt, beschäftigt. Einheiten werden nicht einfach über den Forschungsbaum freigeschaltet, sondern können aus Basiseinheiten, Lafetten, Bodengruppen, Waffensystemen und Modulen frei zusammengesetzt und benannt werden. Das macht richtig Laune und lässt dem Spieler allerhand Raum seinen Vorlieben nachzugehen. Die K.I. stellt durchaus einen ernstzunehmenden Gegner dar. Ich wage es zu bezweifeln, dass man in den ersten Durchläufen eine Kampagne siegreich abschliessen könnte. Der Kampf gegen die Naturgewalten und die anderen Fraktionen erfordert durchaus etwas Geschick. Wer es etwas gemütlicher oder sagen wir einmal, etwas weniger militant angehen will, kann auch auf einen wirtschaftlichen oder forschungstechnischen Sieg setzen. Ich selber hatte diese Optionen immer deaktiviert. Nur die Harten kommen in den Garten bzw nach Pandora…

    Fazit:
    "Pandora: First Contact" ist die Strategie Überraschung des Jahres. Ein durchgehend atmosphärisches und durchdachtes Produkt. Proxy Studios hat hier ein Spiel abgeliefert, dass sich nicht hinter Genregrössen zu verstecken braucht. An der Dokumentation, sprich dem Handbuch, sollte noch gearbeitet werden. Manche Details werden kaum oder gar nicht erklärt, sondern müssen durch den Spieler selbst erarbeitet werden. Beispielsweise das Wachstum bzw. die Immigration der Bevölkerung. Ansonsten arbeiten die Entwickler ständig am Spiel weiter und haben schon einige Patches mit Verbesserungen geliefert. Man darf also gespannt sein, wohin sich "Pandora: First Contact" noch entwickelt. Die Patches betreffen auch nur bestimmte Spielfeatures und die Erweiterung der Inhalte. Denn das Spiel ist komplett stabil und bugfrei. Hut ab.

    Grafik & Sound 8/10
    Grafik, Sound und musikalische Untermalung gehen voll in Ordnung. Manch einer könnte sich an den etwas comicartig gehaltenen Abbildungen der Fraktionssprecher stören. Diese sehen mehr nach japanischen Mangafiguren aus. Ich bin aber sicher, dass hier noch die eine oder andere User-Mod folgen wird, um der Sache etwas mehr Ernsthaftigkeit zu verleihen.

    Steuerung & Interface 9/10
    Das Interface ist sehr intuitiv und gibt im Prinzip keinen Anlass zum jammern. Ich würde mir jedoch wünschen, dass in der Runde der K.I. mein Bildschirm dort zentriert wird, wo eine meiner Truppen in einem Kampf verwickelt ist. Dies geschieht nicht automatisch. Ich darf lediglich in meiner Runde die Austragungsorte meiner Kampfhandlungen ansehen. Punktabzug dafür.

    Atmosphäre 8/10
    Wie im Review dargelegt, könnte die Landschaft noch etwas markanter sein. Auch die Ozeane sind, abgesehen von den vereinzelten Seegefechten, im Prinzip vergeudete übergroße blaue Flecke auf der Karte. Die Alienbedrohung nimmt mit zunehmendem Spiel leider spürbar ab. Hier könnte man auch aus der Erde kriechende Aliens einbringen anstatt diese nur aus ihren auf der Karte sichtbaren, und leicht zu bekämpfenden Behausungen, schlüpfen zu lassen. Ein paar mehr atmosphärische Gimmicks, noch die eine oder andere Ressource und die Beschränkung von Atomwaffen und eine volle Punktzahl wäre drin.

    Künstliche Intelligenz 7,5/10
    Die K.I. ist fordernd aber berechenbar. Diplomatische Geniestreiche sind nicht zu erwarten. Sofern sie angreift tut sie dies mit Schwung, setzt aber oft mäßige Truppen an vorderster Front ein. Man hüte sich dennoch vor zornigen Nachbarn.

    Spielumfang 10/10
    Civilization auf Sci-Fi in einer interessanten Spielwelt. Wochenlange Beschäftigung ist garantiert. Multiplayer ist möglich. Das Spiel ist definitiv etwas für die kommenden Weihnachtstage, wenn die Ego-Shooter und Hardcore Strategiespiele mal in die Ecke gelegt werden. Wer noch auf der Suche nach einem kleinen Weihnachtsgeschenk für sich selbst oder einem guten Freund ist, kann hier blind zugreifen. Die schicke Boxversion samt gedrucktem Handbuch liegt bei 35 Euro. Das Spiel ist auch für Linux und für den Mac erhältlich.

    Gesamtwertung: 85%

    Teaser Trailer:



    Testsysteme: iCore7 3770 - 16GB Ram - GTX680 sowie Core2Duo 6600 (Mobil) - 4GB Ram - GT220M ->Folgt uns auf Twitter<- ->Besucht uns auf Facebook<-

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